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Die Restauration zweier Ur TÉNÉRÉ´s
von Roman Studer
in seinen eigenen Worten dokumentiert

Eine Leidenschaft – die ab und zu auch Leiden schafft …


Die Achtzigerjahre …
Mit sehnsüchtigen Blicken, haben wir damals den grobstolligen grossen Enduro-Motorrädern nachgeschaut. Fasziniert bis in die letzte Körperfaser von den verschiedenen Abenteuermaschinen. Selber noch in ungeduldiger Warteposition auf den herbeigesehnten Lernfahrausweis, war dies rückblickend eine unheimlich schlimme Lebensphase der Enthaltsamkeit gegenüber der motorisierten Zweiradwelt.
Lange Federwege, riesige Tanks, grosse Viertaktmotoren und Kickstarter für Männer – in respekteinflössender Höhe kickten die Helden ihre fantastischen Maschinen an – mit Endurohelm, Scott-Brille, Dainese-Endurojacke, abgelebte SIDI-Ledercross-Stiefel, vergilbter Rucksack eines Mineralöllieferanten, kombiniert mit einer Hüfttasche für Werkzeug und ein knappes Halstuch ob dem Jackenkragen – so sah die grosse Enduro-Motorradwelt für uns damals aus!
Die bebilderten Reisereportagen in den Motorradmagazinen verschlangen wir im Akkord und tapezierten die Wände unserer Buden mit eindrücklichem Bildmaterial unserer Enduro-Traumbikes.
Diese Aufnahmen hatten für uns damals schon den Charakter von etwas Urbanem, verbunden mit Abenteuer, grenzenloser Freiheit und fokussiert auf das Wesentliche. Maschinen zum Fahren und reparieren – nachhaltige und überschaubare Technik.
Und Heute …
Die Elektronik hat die Abenteuermotorräder von damals fest im Griff. Unzählige elektronische Assistenzsysteme stumpfen unsere Sinne für die eigene Beherrschung eines Motorrades immer mehr ab. Traurig mit anzusehen, was aufgrund von Lärm- und Abgasemissionen, Gesetzen, Vorschriften und Marketingstrategien der Hersteller, aus «unseren» damaligen Enduro-Motorräder entstanden ist. Natürlich gibt es auch viel Gutes und Positives über die aktuellen Enduro-Modelle zu berichten – aber wehmütige Blicke zurück auf die Achtzigerjahre sind an dieser Stelle erlaubt …


Das Projekt: Yamaha XT 600 Z Ténéré – das zweite Leben
Und genau dieser Blick in den Zeit-Rückspiegel war für mich die Motivation für ein Schrauber-Projekt. Basis dafür waren zwei ausser Verkehr gesetzte Motorräder vom Typ 34L und 47N (identisch mit der 55W) als Teileträger. Mein Anspruch bestand u.a. darin, alle anfallenden Arbeiten selbst zu erledigen. Dies unter der Tatsache bescheidener Schrauber-Fähigkeiten, finanzieller Möglichkeiten und nebst der Familie und Arbeit auch den eingeschränkten zeitlichen Ressourcen dafür.
Das Ziel - mindestens eine der beiden Ténérés muss wieder zurück ins Leben. Es soll keine Vollrestauration und neues Ausstellungsmotorrad werden. Die «Königen der Wüste» sollte aber eine «Ténéré des Herzens» mit einer über fünfunddreissig jährigen Vorgeschichte werden.
Wie so oft bei einem Projektvorhaben, steht zu Beginn ein kaum zu bändigender und überschäumender Ideen-Enthusiasmus.
Die eigene Lebenserfahrung hat einem in der Vergangenheit aber auch aufgezeigt, dass dieser grandiose emotionale Höhenflug in der Regel irgendwann abzubrechen droht und die unbarmherzige Tatsache in eine lethargische Ernüchterung wechseln kann.
Ganz so dramatisch war es aber bei den beiden Ténérés nicht. Nach der ausführlichen Bestandesaufnahme der beiden Maschinen, lösten sich die eigenen Ideenwolken allmählich und machten Platz für die Realität. Auf einmal wurde mir klar, dass ich mit den beiden Maschinen eine «Lang-(Frei-)Zeit-Werkstattbeziehung» eingehen werde. Dies besonders noch unter meiner eigenen Vorgabe «reparieren statt ersetzen und erhalten statt erneuern».


Aber jetzt der Reihe nach ….
Aus platztechnischen Gründen hatte ich nur einen Schrauber-Bühnenarbeitsplatz zur Verfügung. Somit musste ich jeden Arbeitsfortschritt für beide Maschinen doppelt ausführen. Ein riesiger Vorteil darin für mich als Novize einer 600er-Ténéré-Restauration lag in der Baugleichheit der beiden Motorräder.
Bevor ich mit der «grossen Zerlegung» der beiden Motorräder begann, machte ich einige Foto-Aufnahmen vom IST-Zustand. Aus bescheidener Erfahrung weiss ich aber, dass im Verlaufe eines solchen Projektes Bildaufnahmen immer wiedermal sehr hilfreich sein können.
Ich begann, die beiden Ténérés zu zerlegen und nach Baugruppen sortiert abzulegen. Die gesamte Peripherie demontierte ich bis auf den Rahmen. Die Motoren stellte ich nach einer ersten Kontrolle für den Moment noch auf die Seite.

 

Ur - Zustand und Zerlegung


Dann folgte der eigentlich aufwändigste Teil der Restaurierung – das zerlegen, reinigen, reparieren und polieren der einzelnen Baugruppen. Jeder der schon stundenlang seine Finger in lösemittelgetränke Lappen gewickelt in jede noch so kleine Ritze, Rundungen und Öffnungen gesteckt hat, weiss wovon ich jetzt schreibe. Das Gefühl lässt einem dabei manchmal nicht mehr los, in der eigenen Werkstatt auf einem Endloslaufband von Alaska bis Feuerland unterwegs zu sein.

 


Beide Ténéré-Tanks (die mit der schönsten Form!) hatten diverse Dellen und Beulen. Hierzu habe ich einzig externe Hilfe von einem Fahrzeugschlosser angenommen, der mir die grössten Dellen an den beiden Tanks herausgezogen hat. Die kleineren Ausbesserungen habe ich verspachtelt und verschliffen. Die beiden Tanks habe ich mit Glassplitter gefüllt kräftig bis an die eigene Erschöpfung der Oberarme in mehreren Tages-Etappen geschüttelt und anschliessend innen neu beschichtet.

Tank Instandsetzung

 


Für die Lackierarbeiten habe ich zuerst zweimalig einen 2K-Füller aufgetragen und jeweils verschliffen. Im Anschluss applizierte ich eine Haftgrundierung, diese wieder einen Feinschliff bekam, bevor dann der Decklack in entsprechender Farbe aufgetragen wurde. Das Aufbringen der Folien- und Schriftzüge war ein Meilenstein in der Projektphase und fühlte sich wie eine persönliche Genugtuung für all die vielen Stunden schleifen, spachteln, abdecken und lackieren an. Alle Teile habe ich abschliessend mit einem 2K-Decklack überzogen. Auch hier gab es Arbeitsphasen, wo zwei Schritte vorwärts und drei zurück eher die Regel als die Ausnahme waren. Als dann alle Teile weiss, schwarz und die beiden Rahmen rot lackiert waren, war dies für mich wie ein Wendepunkt im Projekt.


Den bestehenden Lack an den Rahmenteilen, habe ich von Hand ab- und blankgeschliffen.
Die Kunststoffteile waren ebenfalls Zeitzeugen vom Gebrauch während der letzten drei Jahrzehnte wollten für eine neue Lackierung vorbereitet werden.

 

Rahmen neu lackieren

 


Doch bevor ich jetzt mit dem Wiederaufbau der beiden Ténérés beginnen konnte, musste ich mich noch intensiv um die beiden Yamaha-Herzen kümmern. Während sich der Motor von der 34L mit 40tkm noch in relativ gutem Zustand befand, war für das Herz der 47N mit 105tkm nur noch eine sehr kostenintensive Rettung mehr in Aussicht. Also suchte ich Ersatz dafür und fand ein fast komplettes Aggregat aus einem Unfallmotorrad mit nur 18tkm. Aus den zwei «kranken» Motoren konnte ich einen «Gesunden» zusammenbauen und in die 47N implantieren.

Motoren überholen/ austauschen

 

 

 

Zusammenbau

 

Im Herbst 2020, nach fast zweijähriger Werkstattzeit, konnte ich die Zündung auf EIN stellen und die Kickstarter an den beiden Ténérés erstmals durchtreten.
Ein erhebendes unbeschreibliches Glücksgefühl durchfährt einem in diesem Moment. All die vielen Arbeitsstunden, ungehörte Werkstattflüche, schlaflose Stunden und Rückschläge, aber auch persönliche Erfolgserlebnisse während der letzten Monate, ziehen in Gedanken vorüber und erfüllen einem mit Stolz über das Erschaffene.
Selbstverständlich habe ich im Zuge der Zerlegung auch alle Lager und Kabelzüge ersetzt, die Vergaser gereinigt und revidiert.

Das Ergebnis


Es bleibt eben doch «Eine Leidenschaft – die ab und zu auch Leiden schafft!»
Der kleine Sohnemann ist ebenfalls so fasziniert vom Ankicken dieser grossvolumigen Einzylinder, den langen Federwegen, dem grossen Tank und den schönen Farben – dass er bereits im jetzt schon im Kindergartenalter Erbansprüche bezüglich den beiden Ténérés angemeldet hat …


Abschliessend betrachtet, war dieses «Doppel-Ténéré-Projekt» für meine persönlichen Möglichkeiten vom Umfang her doch «recht sportlich» ausgelegt – es gab Momente, wo einen Schritt vorwärts und zwei zurück ein echter Glückstreffer gewesen wäre.


Im Dezember 2020 hat die 34L beim Strassenverkehrsamt die Oldtimer-Zulassung auf anhieb erfolgreich bestanden und sich somit den Weg für das zweite Leben frei geschaffen.
Die 47N wird ihr hoffentlich vielleicht irgendwann folgen …

 

Text und Fotos von Roman Studer 2020

 

Persönliche Anmerkung : Ich bin von solchen Aktionen ja immer wieder schwer begeistert.
Viele werden den Kopf schütteln, wie man 36 / 37 Jahre alte Motorräder mit so viel Geld und
Zeitaufwand wieder restauriert. Die Arbeitsstunden sind unbezahlbar, mit vielen Teilen muß
man sich mittlerweile behelfen, da schon lange nicht mehr lieferbar, auch ins Geld geht so eine
Restauration. Wenn man einmal anfängt, kommen da unglaubliche Summen zusammen.
Kleinteile, Schrauben, Lager, Gummiteile, die längst ausgehärtet sind, Dichtungen und so
Vieles mehr, noch dazu Pflege und Reinigungsmittel, Lacke, Fett, Öle und tonnenweise alte Lappen.

Aber es ist auch ein ganz unglaubliches Gefühl, wenn man seiner Jugendliebe wieder selbst, durch seinene
Arbeit, seinen Einsatz neues Leben einhaucht, wenn sie danach beim Antreten zum zweiten Leben erwacht.
Dann hat man etwas Besonderes geschaffen, es hat in jedem Fall etwas Heiliges für Körper und Seele.


Die bewundernden Blicke von Vielen, werden dem Roman gewiß sein, aber das persönliche Gefühl,
was man selber empfindet, wenn man auf seinem fertigen Werk sitzt, ist einfach nur unbeschreiblich.

Die Legende lebt .... auch durch uns weiter !

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