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Neu vs Alt
Ein mehr emotionaler Vergleich bzw. Zeitsprung
Von neuen "Schätzchen" und tollen"Alten Eisen"
- oder ist es vielleicht doch umgekehrt ?

Ich bin ja in der glücklichen Lage, täglich wählen zu können, mit welcher TÉNÉRÉ ich denn losfahren will. Soll es heute eine der aktuellen Zweizylinder TÉNÉRÉ 700 sein, oder doch mal die gute alte Einzylinder XT 600 Z TÉNÉRÉ ?

Natürlich können die "Neuen" 700 er letztendlich Alles besser. Ein hochwertigeres Fahrwerk schon von Hause aus, ein Gedicht von einem Motor mit mehr Leistung in allen Drehzahlbereichen, erheblich bessere Bremsanlagen, das Licht, das Cockpit, die Armaturen, Sitzposition..... und und und. Die Liste ist ansich unendlich - Alles besser, moderner und dabei absolut zuverlässig.

Meine Spezial GYTR TÉNÉRÉ 700 WORLD RAID

Aber in einer gewissen Sache können die neuen 700 er absolut nicht mithalten :
Das Charma, das Feeling, der Mythos, der Charme den die "Alte" umgibt und verbreitet ist etwas ganz Besonderes und bleibt einfach unerreicht.

Das unglaubliche Gefühl, wenn man, so wie ich, beim Anblick seines Traummotorrads, als man 18 Jahre alt war, heute noch mit fast 60 Jahren, eine Gänsehaut bekommt.

Man öffnet die Bezinhähne, zieht den Choke und .... Nein kein E Starter. Meine Sonauto Replika des Paris - Dakar YAMAHA Werksrenners von 1985, lässt sich nur per Kickstarter zum Leben erwecken.
620 ccm mit dem Fuß antreten, das kennen die meisten Motorradfahrer heute gar nicht mehr.
Es stand schon mal ein Interessierter vor ihr und suchte den Lenker systematisch ab : "Wie geht die denn an ?" war die Frage, Bei der Antwort war er regelrecht entsetzt - Ja artet in Arbeit aus.

Nur ein Kick und sie läuft, ballert munter und zuverlässig vor sich hin, nach fast einem halben Jahr Standzeit. Ich sitze auf - Man wie hoch die ist. Die Sitzbank ist ein echtes Gedicht, auf ihr kann man mal kurz die Welt umrunden, so komfortabel ist sie - Kein Vergleich zu den neuen härteren Sitzmöbeln aus dem Hause YAMAHA.

Ich fahre los, es blubbert, schüttelt und rappelt, im direkten Vergleich zu meinen zwei modernen 700 er Twins, die vor sich hin schnurrenden CP 2 Modelle.
"Was für ein Traktor" denke ich auf den ersten Metern.

Der bewährte, legendäre luftgekühlte Einzylinder ballert wohltuend unter mir und zieht schön aus dem Drehzahlkeller. Die Fussrasten sind so klein, ich rutsche mehrmals von ihnen ab, daran muß ich mich erst wieder gewöhnen, gegenüber den schönen breiten Rasten der aktuellen WR.

Die XT ist im Verhältnis zur WORLD RAID so unfassbar leicht und handlich - wie ein Fahrrad.
Natürlich ist die Leistung überschaubar, genau wie der nutzbare Drehzahlbereich.

Und trotzdem denkt man schon spätestens nach wenig gefahrenen Kilometern :
"Was für ein geiler Traktor"

Meine Sonauto Paris - Dakar Replika XT 620 Z TÉNÉRÉ

Die alte XT 620 entschleunigt mich und ich geniesse einfach nur noch - Ich fühle mich Zuhause.

Ich throne auf einem Oldtimer in fast 1 Meter Sitzhöhe - Auf einer Legende in der bekannten YAMAHA Rallye Optik aus der Mitte der achtziger Jahre.
Beim Fahren über eine berliner Einkaufsstrasse höre ich plötzlich den Ruf :
"Guck mal da - PARIS - DAKAR !" wie geil.

Ich spüre regelrecht, wie meine "Schöne" die Blicke auf sich zieht. Was für ein Gefühl des Stolzes. Einfach unbeschreiblich.

Beim Bremsen folgt die Ernüchterung, da wird der Quanten/ Zeitsprung doch spürbar, obwohl ich vorne schon auf eine Stahlflex Bremsleitung und 320 er Bremsscheibe umgebaut habe. Doch ich gewöhne mich schnell daran - So schlecht bremst sie doch garnicht.
Eigentlich ist kaum noch Etwas an meiner XT 600 Z Typ 1VJ Bj 1986 original. Viel Arbeit, Zeit, Geld und Liebe habe ich in den Jahrzehnten in mein altes Traummotorrad gesteckt.

Auch das Fahrwerk, in das ich bei der XT über Jahre viel investiert habe, kann doch nicht ganz mithalten mit den Serien Federelementen der T 700 Modelle, besonders mit denen der WR nicht.

Was für unglaubliche Strecken ich früher mit der guten alten XT am Stück gefahren bin, und das weit über 25 Jahre lang. Ich würde das heute nicht mehr wirklich machen wollen, mit einem luftgekühlten Einzylinder mit maximal 120 km/h auf der Bahn im Wind zu hängen über Stunden.
Ich/ wir sind einfach zusammen alt geworden, haben aber sehr viel gemeinsam gesehen und erlebt, wir Beide.

Und trotzdem geniesse ich jeden Kilometer mit meinem "Oldie" bei schönsten Wetter.
Nein bei Schmuddelwetter fährt sie nicht mehr, nur noch bei Sonnenschein. Das hat sie sich verdient nach fast 214.000 Kilometern Laufleistung und Fahrten bei Wind und Wetter zu jeder Jahreszeit. Es ist jetzt eben etwas ganz Besonderes, wenn ich mit meiner 1VJ unterwegs bin, für den Alltag nehme ich die "Neuen", die können das besser und ich habe kein schlechtes Gewissen.

Mit einem Lächeln im Gesicht und im Herzen, bringe ich mein "Altes Schätzchen" schließlich wieder zurück zu POLO, auf ihre YAMAHA Matte vor dem Techniktresen. Streichele nochmal liebevoll über die schöne Alcantara GAULOISES Sitzbank :

"Danke für den schönen Tag mit dir, du bist toll gefahren"

Hier steht sie trocken und warm. Die Kunden erfreuen sich, wenn sie dort steht und oft leuchten ihre Augen bei ihrem Anblick. Sie steht direkt vor meinem Arbeitsplatz, das ist ein schönes Gefühl und beruhigt ungemein. Auf jeden Fall besser, als unter einer Plane in der Tiefgarage.
Neben ihr steht die WR, die in der Zwischenzeit hier auf mich gewartet hat. Nach dem Wechseln der richtigen Jacke und des natürlich zum Moped passenden Helmes, schiebe ich die deutlich schwerere WR nach vorne zum Ausgang, drücke schließlich einfach nur den Starterknopf - wie einfach, aber unspektakulär/ charakterlos und fahre in Richtung nach Hause.

Auf den ersten Metern denke ich : "Was für ein Zeitsprung" , was für unterschiedliche Charaktäre diese beiden Motorräder haben. 36 Jahre liegen zwischen den beiden TÉNÉRÉ Modellen. Wieviel besser hier Alles auf der WR funktioniert. Völlig ruckelfrei beschleunigt die 700 er kraftvoll aus dem Keller heraus, bis in höhere Drehzahlen hinein und begeistert einfach nur.

Die Bremsen, das Fahrwerk, die Sitzposition ... Alles ist perfekt !

Ich bin glücklich und freue mich schon auf die nächste "Besondere Ausfahrt", egal mit welcher der drei Ladys. Alle haben ihren besonderen Reiz und ihren besonderen Charakter.

Welche nun die Beste Wahl ist, kann ich nicht entscheiden. Die 700 er TÉNÉRÉs sind für mich schon sehr perfekt, aber da ist da noch das Bullern des alten Einzylinders, der bereits nach wenigen Sekunden synchron mit meinem Herzen zu schlagen scheint - My Heartbeat !

Ein Glück habe ich die Auswahl, die oft doch nicht so leicht fällt.


 

Text und Fotos Ingo Löchert 7/ 2025

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